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Didaktische Überlegungen

 

Kinder und Jugendliche werden schon von früh an mit medialen Wirklichkeitsentwürfen und fiktionalen Welten konfrontiert. Bereits im Kleinkindalter sehen sie in erheblichem Umfang Fernsehen, nutzen selbstständig Computer, Smartphones oder auch Tablets. Neben Kino und Fernsehen sind neue mediale Distributionskanäle und Rezeptionsästhetiken getreten. Jugendliche nutzen zunehmend Bilder und bewegte Bilder in den sozialen Netzwerken als wichtiges Kommunikationsmedium. Nach sozialisationstheoretischer Ansicht bilden Medien eine symbolische und kommunikative Umwelt, die von ihnen aktiv und konstruktiv verarbeitet wird. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die unterschiedlichen Medienangebote in Bild-, Schrift- und Text-Bild-Gestalten ganz unterschiedliche Anforderungen an die Rezipienten stellen und die entsprechenden Rezeptionskompetenzen im Laufe eines Lebens erst erworben werden und sich keinesfalls quasi wie von selbst entwickeln. Der Erwerb der Fähigkeit zur Unterscheidung von unterschiedlichen, ästhetisch realisierten Perspektiven, von Fiktion und Nicht-Fiktion, der Fähigkeit zum Verstehen eines komplexen Plots oder gar einer differenzierten Medienkritik ist auch zu einem wesentlichen Anteil an die bewusste Auseinandersetzung mit verschiedenen textlichen und visuellen Medienangeboten gebunden.

 

Die Unterrichtsvorschläge dieses Angebotes beziehen sich deshalb im Wesentlichen auf den Erwerb

  • von Wissen zu den Konstruktionsprinzipien filmischer Fiktionalität, filmischer Erzählungen und Perspektiven;
  • von Wissen zu den Verfahren digitaler Bildbearbeitung und visueller Effekte in Film und Video
  • von der Fähigkeit, Bilder und Bildzusammenhänge einschätzen und nach Bedeutungs- und Informationsgehalt filtern zu können und
  • auf den Erwerb von Kompetenzen, die eine medienkritische Rezeptionshaltung unterstützen.

Mit einer medienkritischen Rezeptionshaltung ist das „In-den-Blick-Nehmen“ der (eigenen) Beobachtungsperspektive gemeint, die der Kommunikationswissenschaftler Siegfried J. Schmidt einmal die Beobachtung „zweiter Ordnung“ genannt hat. Diese „Beobachtung zweiter Ordnung“ ermöglicht es den Rezipienten, nicht nur fiktionale Filme differenzierter zu betrachten, sondern generell Bilder – seien es Kino- oder Fernsehbilder oder die Bilder in den sozialen Medien – einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und die Konstruiertheit der Wirklichkeit, in der wir leben, zu realisieren.

 

„Wirklichkeitskonstruktion widerfährt uns mehr als dass sie uns bewusst wird – weshalb wir die Konstruiertheit unserer Wirklichkeit erst dann bemerken, wenn wir beobachten, wie wir beobachten, handeln und kommunizieren, und weshalb der Konstruktivismus zu Recht als eine Theorie der Beobachtung zweiter Ordnung bezeichnet werden kann.“ (1)

Bei der Arbeit mit Bildern und bewegten Bildern im Unterricht geht es immer auch darum, dass ein Bewusstsein für die Ursache einer empfundenen Wirkung geweckt wird. Dieses Bewusstsein besteht nicht bloß aus akademischem Fachwissen, sondern kommt dem außerschulischen Rezeptionsverhalten von Jugendlichen zugute. Auswahlentscheidungen, Kritiken, aber auch Vorlieben und Abneigungen können bewusst getroffen, abgegeben oder entwickelt werden. Der Erwerb von Kenntnissen und analytischen Verfahren zielt am Ende immer auf das Bewusstwerden des bisher ungefragt Hingenommenen.

 

Da Bilder, besonders „laufende Bilder“, eine hohe Suggestionskraft haben, schenken wir ihnen im Alltag – auch beim Sehen eines Spielfilms – gerne unseren Glauben. Selbst wenn wir wissen, dass ein Film nur ein Film ist und weder Handlung noch Figuren in der Realität wirklich vorkommen, so entfalten die Bilder und Bildabfolgen im Film oft ihre Wirkung. Bilder simulieren ganzheitlich Realität – und meist schneller als unsere innere Sprache es wahrnimmt. In Bildern scheinen wir Sichtweisen, Perspektiven, Wirklichkeiten wiederzuerkennen, sie scheinen für uns einen Erfahrungsraum festzuhalten. Bevor wir über diese Bilder reflektieren können und unsere subjektiven Anteile, die angesichts dieser Bilder an die sprachliche „Oberfläche“ kommen, in ein kritisches Verhältnis setzen können zu der Wirklichkeitskonstruktion, die uns mit diesen Bildern geboten wird, sind wir bereits im Bann unserer bisherigen – nicht immer bewussten – Erfahrungen. Die starke Emotionalisierung, die Bilder bewirken können, hängt also einerseits mit der Wirkung von Bildern auf unsere unbewussten Einstellungen, Gefühle und (Vor-)Urteile zusammen und andererseits mit ihrem Abbildcharakter. Der Abbildcharakter ist natürlich kein per se gegebener, sondern vielmehr gewissermaßen ein ideologischer: Bilder suggerieren, sie zeigen Wirklichkeit. Da sie ihre Medialität selten zeigen, wirkt diese Wirklichkeit mitunter wie die einzig mögliche Wirklichkeit und nicht wie eine Wirklichkeit, wie sie sich aus der Perspektive der Kamera oder des Fotoapparates zeigt. Dabei werden Geschlechterstereotypen genauso perpetuiert wie gesellschaftliche oder kulturelle Normen. Es ist ein perpetuum mobile: Indem die Bilder eine Wirklichkeit abzubilden scheinen, konstruieren sie schlechthin Wirklichkeit. Fernsehen oder soziale Medien schaffen ein Bild von Wirklichkeit, an dessen Kategorien und Erwartungen alltägliche Erfahrungen wiederum gemessen werden: Botschaften, Normen, Ideale und Formen der Visualisierung von Informationen werden zur prägenden Erfahrung der sozialen Welt.

 

Es geht im Unterricht, in dem Bilder und Filme analysiert werden, und mithin in den hier vorgeschlagenen Unterrichtsvorschlägen also darum, Bilder lesen und damit besser verstehen zu lernen. Besser bedeutet nicht immer gleich „in kritischer Absicht“. Es bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, wichtige Konstruktionsprinzipien visueller Erzählung und Wirkungsweisen zu erkennen und als ästhetische Mittel im Zusammenhang des Werkes, zum Beispiel eines Films, zu würdigen. Eine solche Würdigung kann auch in kritischer Absicht geschehen.

Die Konstruktionsprinzipien bildlicher Darstellungen zu verstehen, stellt einen wichtigen Aspekt visueller Kompetenz dar, der auch für die aktive Bildkommunikation in den sozialen Netzwerken relevant ist. Die Kenntnis der bildlichen Gestaltungsmittel und ihrer Wirkungspotenziale kann dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler bewusster und verantwortungsvoller mit ihren eigenen Bildproduktionen im Netz umgehen.

Letztlich geht es also um den Erwerb von Kompetenzen, die einen selbstständigen, flexiblen, verantwortlichen und lustgewinnenden Umgang mit Bildern und bewegten Bildern erlauben.

 

Allgemeine Hinweise zu den Unterrichtsvorschlägen

 

Die hier vorgeschlagenen Unterrichtsideen eignen sich für Schülerinnen und Schüler ab Jahrgangsstufe 7, sind aber nicht speziell für einen bestimmten Jahrgang oder eine bestimmte Schulform entwickelt worden und sind keinem Fach in spezifischer Weise zugeordnet. Die Arbeit an den Themen kann aus unterschiedlicher Fachperspektive vorgenommen werden (Deutsch, Kunst, GL, Politik und Wirtschaft, Ethik).

Die Vorschläge für den Unterricht orientieren sich an Kompetenzerwartungen, wie sie im Kerncurriculum des Landes Hessen formuliert sind. Hierzu gehören zum Beispiel:

  • Bedeutung der Mediengestaltung für die ästhetische Wirkung erkennen können;
  • zwischen Wirklichkeit und fiktionalen/virtuellen Welten unterscheiden können;
  • die Wirkung nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten beachten können;
  • Medien wahrnehmen und deuten, analysieren und reflektieren können;
  • unterschiedliche moralische Wertvorstellungen einordnen und bewerten können;
  • Bildern reflektierend begegnen können;
  • formale Merkmale wie z.B. Farbgestaltung, Formgebung, An- und Zuordnung der Bildgegenstände und Raumgestaltung erkennen und sprachlich darstellen können;
  • Wirkungsabsichten erkennen, beschreiben und bewerten können.

Es wurde darauf geachtet, jeden Themenschwerpunkt so aufzuarbeiten, dass unterschiedliche Sozialformen und Methoden eingesetzt werden und so ein abwechslungsreicher Erarbeitungsprozess möglich wird. In allen Unterrichtsideen sind jeweils aufeinander aufbauende Unterrichtsvorschläge mit Hinweisen zu Didaktik, Sozialformen und Zeitbedarf zu finden. Diesen Vorschlägen zugeordnet sind Vorlagen mit Texten und Bildern zum Thema, Aufgabenblätter sowie Videos und Text-Bild-Seiten. Mitunter wird auch auf frei zugängliches Material im Internet verwiesen. Die Zeiteinteilung für die einzelnen Arbeitsschritte sind ungefähre Orientierungsgrößen. Selbstverständlich kann sich aus einer individuellen Unterrichtsorganisation eine vollkommen andere Abfolge oder Zeiteinteilung ergeben.

Wir möchten mit unseren Vorschlägen zur Erarbeitung im Unterricht nur Beispiele zur Anregung geben, wie ein didaktisch und methodisch sinnvolles Vorgehen aussehen könnte und überlassen es Ihrer Phantasie und Ihrer pädagogischen Erfahrung, davon abweichende, andere oder weitergehende Ideen zu entwickeln. Das hier versammelte Material hilft Ihnen sicher dabei.